Sonntag, 22. April 2012

Januskopf Blocher

Im heutigen TA Magazin ist ein Artikel von Daniel Binswanger über die Unzufriedenheit innerhalb der SVP über Blochers Unfähigkeit loszulassen. Wie immer ein gut recherchierter, emotionslos analysierender Bericht von hohem Informationswert mit leisen Untertönen, etwa die Bemerkung über die Anweisung Blochers an seine Kinder, die alten Firmencomputer zu schreddern, damit Geheimes geheim bleibe.
Gestern sagte ein guter Bekannter einmal mehr, dass Blocher wenigstens sage, was er denke. Ich bin immer wieder erstaunt über die politische Naivität vieler Menschen, denen man eigentlich mehr kritische Distanz zutrauen würde. Blocher hat nie einfach nur gesagt, was er denkt. Dazu ist er viel zu schlau. Er sagt, was er sagen will und verschweigt, was er verschweigen will. Die Basler Zeitung ist da nur eines von vielen Beispielen. Wie perfid sein Schweigen sein kann, zeigt die Art und Weise, wie er Bruno Zuppiger ins Messer laufen liess. Er wusste um dessen Machenschaften - sie standen ein Jahr zuvor in der Zeitung, aber er hat Zuppigers Kandidatur nicht verhindert, um ihn dann via Weltwoche ein für allemal mundtot zu machen. Dieses Beispiel zeigt, wie Blocher mit Menschen umgeht, die ihm nicht passen. Das wissen alle in der Partei, die er zu seinem persönlichen Machtapparat umgestaltet hat. Deshalb ist auch Widerspruch so selten. Man zahlt ihn teuer.
Entscheidend für die Handlungen Blochers ist seine Psyche. Sein Freund Roger Köppel von der Weltwoche, an der Blocher mit Sicherheit auch in irgend einer Weise beteiligt ist, hat geschrieben, Blocher fehle das Gen zur Demut. Das ist treffend. Ihm fehlt jedoch auch das Gen zur Einsicht, das Gen zur Bescheidenheit, das Gen zu kritischer Selbsthinterfragung und und und. Blocher ist ein Januskopf: Auf der einen Seite ist er eine Missionar, der glaubt, er müsse die Welt oder wenigstend die Schweiz auf den rechten Weg bringen. Welches dieser rechte Weg ist, ist für ihn sonnenklar: der Weg, den er persönlich für den richtigen hält. Davon ist er sogar überzeut und so kann er durchaus sagen, was er denkt. Schliesslich haben nur die Anderen unrecht. Auf der anderen Seite ist er ein Machtmensch, der skrupellos genug ist, alles seinen Zielen und Interessen unterzuordnen. So hat er sich sein Unternehmen unter den Nagel gerissen, so hat er sich seinen persönlichen Machtapparat, die Partei aufgebaut, und so behandelt er die Menschen, die er zu seinen Jüngern macht.
Blocher ist sicher ein interessante Figur mit einer ausserordentlichen Fähigkeit, die schwelende Unzufriedenheit im Volk aufzuspüren und für seine Zwecke einzusetzen. Aber seine Leistung ist geringer, als immer angenommen wird. Er besetzt seit Jahren zwei Themen, das ist die Verhinderung des EU-Beitritts und die Asylpolitik. Kurzfristig gibt ihm der Erfolg Recht. Langfristig wage ich dies zu bezweifeln.
Die Fortschritte in der Schweizer Politik erzielen die Anderen. Diejenigen, die in mühseliger Konsensarbeit nach Lösungen ringen. Doch das ist wesentlich weniger medienwirksam. Und es enspricht offenbar auch nicht dem Bedürfnis der Menschen, die die Verantwortung lieber jemandem überlassen, der das gerne für sie übernimmt.

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