Samstag, 12. September 2020

Was ist Kunst?

Was ist Kunst? Diese Frage beschäftigte mich ein Leben lang, mit zunehmendem Alter noch mehr. Kunstgeschichte war mein Wahlfach in der Diplommittelschule. Aber die Stilepochen und ihre wichtigsten Vertreter zu kennen heisst nicht, Kunst zu verstehen. Anschlussfrage: Muss man sie verstehen? Ich weiss es nicht. Vielleicht ist es tatsächlich nicht nötig, wie Jürg sagt, auch wenn mich diese Antwort nicht wirklich befriedigt.

Meine Definition: Kunst – im weitesten Sinne – ist der kreativ umgesetzte Ausdruck der Zeit, in der sie entsteht, sie war und ist Teil jeder Kultur, sie erweitert unseren Horizont, als Spiegel der Gesellschaft ermöglicht sie Identifikation und gleichzeitig Relativierung des Selbst, sie öffnet den Blick für andere Denk- und Sichtweisen und macht uns dadurch zu verständigeren Menschen, sie schärft die Sinne, sie macht uns empfänglich für das Wesentliche im menschlichen Dasein, für das Essentielle, das uns Menschen über alle sozialen, ethnischen und kulturell bedingten Unterschiede hinweg verbindet.

Doch das ist nur der immaterielle Wert. Hinzu kommt der wirtschaftliche Faktor: In der Schweiz gibt es zirka 65 000 Kulturunternehmen mit 225 000 Beschäftigten. Die Wertschöpfung der Kultur ist mit rund fünf Prozent gleich hoch wie jene der Tourismusbranche. Das geht oft vergessen.

Ich denke: Gerade, weil sie keine abschliessenden Antworten liefert, ist Kunst unverzichtbar in einer individualisierten, auf Selbstprofilierung, auf Geld und Gewinn, nur auf Nutzen, auf Leistung und Erfolg und auf technologischen Fortschritt getrimmten, nach ökonomischen Kriterien gleichgeschalteten, aber geistig verarmenden Konsumgesellschaft. Denn sie zeigt uns, was es alles gibt, sie erzählt uns Geschichten, erinnert uns an die unzähligen Möglichkeiten, die Dinge zu sehen und regt so zum Denken an. Ausserdem macht sie den Menschen Freude, die sie schätzen.

So sehe ich das.

 

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