Sonntag, 20. September 2020

For Sama

Etwas vom Eindrücklichsten, was ich bisher gesehen habe, war der Dokumentarfilm „For Sama“ der Journalistin Waad al-Kateab.

Die junge Journalistin Waad al-Kateab ist nach dem Studium im besetzten Aleppo geblieben, weil sie und ihr Mann daran geglaubt haben, dass ihr Widerstand gegen Assad irgendwann siegen würde. Und weil ihr Mann als Arzt die Verletzten versorgte und die Menschen nicht im Stich lassen wollte. Beide sind bis zuletzt geblieben, bis sie von Assads Regime zur Evakuierung gezwungen wurden. Nur durch Zufall und Glück sind sie bei dem entscheidenden Kontrollposten durchgekommen, sonst wären sie vom Assad-Regime mit Sicherheit getötet worden. Dass man schon zu Beginn weiss, dass die Familie (Sama wurde während des Krieges geboren, ein zweites Kind war unterwegs, als sie Aleppo verliessen), ist der einzige Trost in diesem erschütternden Dokument. Heute leben sie in London. 

Die Journalistin hat während 5 Jahren laufend gefilmt, was in ihrem Leben und in ihrem Umfeld geschieht. Dass der Film so nah an den Menschen ist, dass er das Geschehen aus einer absolut persönlichen Perspektive und in Echtzeit zeigt, macht ihn so aussergewöhnlich und wertvoll. Die Journalistin kommentiert darin das Geschehen, indem sie zu ihrer Tochter spricht. Damit Sama einmal begreifen würde, warum ihre Mutter geblieben ist: Um zu zeigen, was für ein Unrecht geschieht und mit welcher Brutalität das Assad-Regime - mit tatkräftiger Unterstützung der Russen - die Menschen wahllos tötet: Kinder, alte und junge Menschen, Zivilisten, ganze Familien. Sie drehte den Film, damit so etwas nie wieder passiert, in der Hoffnung, dass das Dokument die Menschen aufrütteln wird, in der Hoffnung, dass die internationale Weltgemeinschaft die Menschen in Aleppo nicht im Stich lässt…

Man erlebt das Grauen des Krieges in Echtzeit, sieht, wie die Menschen verletzt ins Spital gebracht werden, darunter viele Kinder. Es sind Nahaufnahmen mitten aus dem Geschehen. Wenn eine Bombe einschlägt, wird das Bild schwarz, danach die Schreie, das Chaos, das Grauen, das Blut… Man sieht die Toten, darunter Kinder und Jugendliche, erlebt die Angst und die Trauer der Menschen, sieht die fast gänzlich zerbombte Stadt. Man weint die ganze Zeit. Und danach ist man nicht mehr fähig zu sprechen. Aber man muss es sehen. Man muss es sich antun, damit diese Frau dieses absolut erschütternde Dokument  nicht umsonst gedreht hat. Man muss es sehen um zu begreifen, was Menschen aushalten müssen und warum sie dennoch bleiben - bis nur noch die Wahl zwischen Flucht und Tod bleibt. Man muss den Film sehen, allein schon aus Solidarität mit diesen mutigen Menschen, die ihr Leben tagtäglich riskierten, um für die Freiheit und die Würde der Menschen in Syrien zu kämpfen.




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