Freitag, 3. Mai 2013

Das Bild: Erste Feedbacks

Die Verunsicherung, die dich erfasst, wenn es die erste Zeit nach dem Erscheinen deines Buches erst einmal still bleibt, ist vollkommen irrational. Das ist dir bewusst. Trotzdem fragst du dich immer wieder: War alles für die Katz? Ist das Buch so schlecht, dass die Leute nicht einmal den Mut haben, es dir zu sagen? Du zweifelst an dir, obwohl du weisst, dass es total unrealistisch ist, schon am nächsten oder übernächsten Tag irgend eine Reaktion zu bekommen. Was hast du denn erwartet? Hast du gedacht, die Leute hätten nichts anderes zu tun, als dein Buch sofort zu lesen und sich danach gleich ans Telefon zu hängen oder an den Compi zu setzen, um dir zu sagen, wie toll das Buch sei?
Die Verunsicherung verlässt dich auch dann nicht, wenn die Reaktionen schliesslich tropfenweise eintreffen, sie bleibt sogar dann noch bestehen, wenn die Feedbacks alle positiv ausfallen. Sagen sie dir das nur, weil sie dich mögen? Oder schreiben nur diejenigen, denen es gefallen hat oder hat es ihnen gar nicht gefallen, aber sie wollen dich nicht verletzen? Mal kommt eine SMS, "bin begeistert von deinem roman, er ist spannend, witzig und intelligent geschrieben…", oder eine Mail: "Bin am Lesen deines Buchs. Spannend!", oder ein Telefon: "Musste dir einfach sagen, wie sehr mir dein Buch gefallen hat...". Das sollte dich doch glücklich machen. Tut es aber nicht. Bist du bloss undankbar?
So oder ähnlich ist meine aktuelle Gefühlslage. Sie schwankt von Tag zu Tag, manchmal sogar stündlich, ein ständiges Auf und Ab. Mal denke ich, dass ich meine Sache gar nicht so schlecht gemacht habe, dann wieder, dass ich es besser hätte sein lassen. Vielleicht ist das normal. Vielleicht gehört das jetzt zu meinem Leben.
Nimmt sich jemand die Mühe, eine Kurzrezension zu schreiben, bin ich jedes Mal vollkommen überrascht und freue mich total darüber. Drei dieser Feedbacks möchte ich gern hier veröffentlichen. Sie sind anonymisiert, aber die Namen sind mir selbstverständlich bekannt.
Mich würde es sehr freuen, wenn sich an diese angefangene Liste weitere Kurzrezensionen anschliessen würden...


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Der Schnellste war ein ehemaliger Schulkollege:
(…) Ich war willens, die Geschichte durchaus kritisch zu prüfen. Als erstes dann der Nachruf und mein Stutzen, vorwärts blättern, rückwärts blättern... Ist das ein Vorwort? Glückwunsch zu dieser Idee, die den Leser schon mal aus seiner Gemütlichkeit reisst und seine Aufmerksamkeit vervielfacht. Dann habe ich versucht, mich von der Geschichte von Alma, Mona, Lisa und Paul forttragen zu lassen. Das ist mir ganz leicht gefallen. Es gab einige Momente, da kam die erwartete kleine, gemeine Langeweile aus ihrem Versteck hervor. Aha, da haben wir sie wieder, die treue Begleiterin aller Autoren, habe ich genüsslich vermerkt. Aber einige Zeilen weitergelesen und der Spannungsbogen war wieder da. Wie hast du das gemacht? (…) Ich habe das Buch höchst amüsiert und in kurzer Zeit gelesen. Natürlich ist mir nicht entgangen, dass das Schicksal der Figuren auch tragisch ist. Aber Deine Geschichte plätschert in grosser Selbstverständlichkeit so munter durch die Zeit, dass auch der "Ernst des Lebens" ganz bekömmlich wird. Und es ist das Leben und das Denken unserer Generation, die einem in Deinem Buch wohltuend umfängt.
C.B., Murg
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(…) wir haben deinen Roman gelesen und finden darin  eine ungeheure Fülle von "Menschlichkeiten". Wir sind uns nicht ganz schlüssig: Ist das nun ein Krimi? Zum Teil sicher. Ist das eine Liebesgeschichte? Zum Teil ebenfalls. Sind das Charakterzeichnungen von Menschen? Zum Teil auch das. Es ist wohl die Mischung, die dieses Buch so spannend werden lässt. Fazit: "Das Bild" können wir empfehlen.
F. und I. H., Bülach
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(…) Mit Spannung habe ich "Das Bild" gelesen, vielmehr verschlungen. Die Handlungen nehmen immer wieder eine unerwartete Wendung. Die Neugier steigt. Nie kommt Langeweile auf. Ich wäre auch drangeblieben, wenn dein Buch 260 Seiten oder mehr aufgewiesen hätte. Mit "Nachruf" und "Ausstellung" in der NZZ am Sonntag hast du uns Leser-/innen zwei Artikel vorgesetzt, die uns fast verunsichern und uns glauben machen, wir könnten uns in der realen und nicht in der fiktiven Welt deines Romans befinden.
Den Zeitgeist der 60er und der 70er-Jahre hast du sehr treffend beschrieben. Die sexuelle Revolution, die Frauenbefreiungsbewegung, die Auflehnung gegen das Establishment: diese Ereignisse gingen nicht spurlos an unserer Generation vorbei, ebensowenig wie die spätere Fichenaffäre. Dass du das jeweils aktuelle Zeitgeschehen in deinen Roman einfliessen lässt, die ehemalige Swissair darin vorkommt und so Profanes wie AHV und Renten ihren Platz finden, schafft für uns Schweizer Leser-/innen Nähe zum Geschehen. Für einmal finden wir uns in unserem Alltag wieder. Es ist nicht das unerreichbare Milieu von Glanz und Glamour von unerreichbaren Superstars und Superreichen, die uns ein Leben im Luxus vorgaukeln. Im Gegenteil. Du getraust Dich, übers Älterwerden, Krankheit und Tod zu schreiben. Es bereitete mir grosses Vergnügen, an deiner Lesung teilzunehmen und danach deinen Roman zu lesen. Vielleicht folgt bald ein nächster Band?
M.K., Watt
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Ich gratuliere Dir von ganzem Herzen für das spannende Buch, in dem die weibliche Kraft und Weisheit zum Ausdruck kommen. „Das Bild“ liest sich wie ein Krimi. Du beherrscht das Schreiben und erzeugst dadurch Spannung, Fantasie  und Gefühle. Gratuliere!
E.B., Stadel
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Mir gefällt sehr gut wie Du einen Ort, eine Handlung, das Verhalten der  Figuren präzise beschreibst. Man wird so richtig hineinversetzt und kann die beschriebenen Gerüche fast riechen.
Die Verknüpfung der Figuren  greifen ineinander wie Zahnräder in einem Getriebe.
Deine Gefühle schreibst Du ungeschminkt nieder. Schreibst auf einem sauberen, hohen Level und beschreibst trotzdem jede Lebensphase bis ins Intime. Du verstehst es gut, den Leser immer wieder mit Deiner Story zu fesseln und seine Neugier zu steigern.
Die grosse Pointe lässt Du erst am Schluss platzen, profihaft, grossartig!!!
W.K., Hinterkappelen 
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Dein Buch habe ich fast in einem Zug mit grossem Vergnügen gelesen. Martin Suter muss sich vor dir in acht nehmen. Gratuliere!
J.H., Zürich


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Und hier noch die Links zu den bisher erschienenen Buchbesprechungen (ich hoffe, mit der Zeit folgen auch hier noch ein paar weitere...):
http://www.zuonline.ch/artikel_136766.html
--> http://www.lesefieber.ch/buchbesprechungen/christine-fivian-das-bild
http://pressespiegel.metacommunication.com/clippings/Kunden/Brunner_Edition_Xanthippe/2013/05/17/Brunner_Edition_Xanthippe_A004068_12013_74_288136869825426679344.pdf
 

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Ein paar Monate später und um Einiges gelassener:
Das Bild ist mittlerweile schon vielerorts besprochen worden. Meistens wohlwollend bis positiv. Es gab auch negative Kritiken. Aber insgesamt wird das Buch von denjenigen, die es gelesen haben, positiv beurteilt. Von manchen sogar sehr.
Dazu gehört auch die folgende Kritik, von der ich mich verstanden gefühlt habe:

(rz) Man muss den Kopf dabeihaben beim Lesen, auch wenn evozierte Gefühle einen oft abdriften lassen, denn die Geschichte besteht aus gekonnt geknüpften, sich ineinander verheddernder, sich wieder lösender und doch nicht voneinander loskommenden Lebensfäden von drei Frauen und einem Mann. Paul, der Maler, hatte mit allen eine Beziehung, die aber unterschiedlicher nicht hätte sein können - so wie auch die Persönlichkeiten der drei Frauen, ihre Werte und ihre Lebenskonzepte sich voneinander abheben.
Drei Frauen und ein Mann
Die drei Frauen, die erste Liebe Lisa, die Lebenpartnerin Alma und die leidenschftliche Affäre Mona, waren Freundinnen, bevor Paul in ihr Leben trat und bei allen irgendwann einen Bruch verursachte. Alle drei waren Stewardessen bei der Swissair, attraktiv und weitgereist. Damals sehr moderne junge Frauen, die nun mehr oder weniger elegant aufs Pensionsalter zuschlitterten. Der Auslöser der dramatischen Entwicklung ist das Bild einer Göttin, das Paul von Alma zurück haben möchte. Damit beginnt das Buch. Man liest sich aber nicht von Seite zu Seite in einem ruhigen Fluss – man lässt sich wie durch einen magischen Sog immer wieder in unterschiedliche Szenen und psychische Befindlichkeiten einziehen, die zudem noch in regen Wechselbeziehungen stehen.
Spannungsvoller Lesestoff
Die Szenen lassen die Lesenden durch Vergangenheit und Gegenwart hüpfen, aber nicht zufällig, sondern raffiniert komponiert und brillant erzählt durch die Autorin Christine Fivian. Die Protagonisten selbst springen von Befindlichkeit zu Befindlichkeit, aus der sie die ganze Geschichte unterschiedlich beleuchten, Gescheihen in die Nähe oder weit weg zoomen und entsprechend erzählen und kommentieren.
Komplexe Ambivalenzen, nur viel komplizierter als bei Goethe, der lediglich über zwei Seelen in der Brust klagte.
Die Dinge haben die Bedeutung, die man ihnen gibt – und das kann sich jederzeit ändern. Wer spielt mit wem, die Frauen mit dem Mann? Der Mann mit den Frauen? Oder das Schicksal mit allen vieren? Die Geschichte nimmt immer wieder unerwartete Wendungen. Nur eine Frau überlebt das Ende des Buches. Und sie bleibt zurück mit der Gewissheit, ein einzigartiges Leben gelebt zu haben, das mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet hat. Ähnlich geht es den Lesenden. Das Buch macht etwas mit ihnen. Es ist ein Buch, das man zwar weglegt, das einen aber nicht so schnell loslässt. Denn etwas von allen drei Frauen steckt in jeder Frau. Was nicht heisst, dass “Das Bild” nicht auch für Männer ein sehr lesenswertes “Vexierbild” ist.
 
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Ich kann an dieser Stelle nicht alle Feedbacks auflisten. Hier deshalb ein letztes aus den zahlreichen Mails, die ich bekommen habe:


(…) Ich habe Dein Buch verschlungen, ein hervorragender Roman, packend, knapp, spannend in jeder Hinsicht, sowohl thematisch wie sprachlich wie im Aufbau!  (…) Ich kenne etliche Frauen, für die es wie ein Memorandum geschrieben ist, vielleicht weniger, was die Freundschaft zu anderen Frauen in der Gleichzeitigkeit von Liebesobjekten betrifft als was die Verfänglichkeit und Heftigkeit, die Glückserfahrung und Täuschungsmacht sexueller Anziehung beinhaltet, auch die Umkehrung von Liebe in Wut und Hass, in Todeswunsch und in aufwühlende Versöhnungsarbeit mit sich selbst. Aufwühlend auch das leidvolle, abwehrende Verhältnis von Mutter und Tochter auf Grund eines doppelten Tabus.
M.W., Zürich


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Erschienen sind Kritiken in vielen kleineren Zeitungen, aber auch in grösseren, wie z.B. dem St. Galler Tagblatt. Leider haben die Literaturredaktion der beiden grössten Zeitungen des Landes, NZZ und TA, das Buch nicht besprochen. Zu wenig wichtig. Sie dachten wohl, wieder so eine Journalistin, die meint, sie müsse Bücher schreiben… Der NZZ-Redaktor hat gemeint, es sei zwar gut geschrieben, aber ihm persönlich etwas zu konstruiert. Der TA-Literaturchef hat es gar nicht erst gelesen.


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"Das Bild": http://www.xanthippe.ch/de/


Mittwoch, 1. Mai 2013

Verantwortung IST teilbar!

Nur damit's am Tag der Arbeit nicht ganz vergessen geht: Das "Frauenthema" bleibt aktuell. Ich frage mich, warum es mich gerade jetzt wieder so beschäftigt, obwohl mich sehr viele Anliegen der Frauen, die noch mitten im Berufs- und Familienleben stehen, gar nicht mehr betreffen. Aber ich ärgere mich zunehmend über die Tatsache, wie viele junge Frauen heute noch immer bereit sind, selbstverständlich zurückzustecken, wenn es um Kinder und Familie geht.
Sehen diese Frauen nicht, dass die Gleichstellung erst erreicht ist, wenn die absolute Gleichwertigkeit der weiblichen und der männlichen Bedürfnisse im gesellschaftlichen Bewusstsein verankert ist? Wenn die weibliche Sicht genauso zählt, wie die männliche. Auch in der Wirtschaft. Wenn beide - Frau und Mann - tatsächlich die freie Entscheidung haben, wie sie ihr privates Familienleben gestalten wollen?
Davon sind wir noch meilenweit entfernt, auch wenn die SVP-Politikerin Nadja Pieren im gestrigen "Club" das Gegenteil behauptet hat. Dabei wäre doch gerade die SVP daran interessiert, dass die Frauen der Wirtschaft nicht entzogen werden. Schliesslich möchte sie ja keine Ausländer im Land...
Sicher. Seit der Zeit, als ich jung war, ist viel erreicht worden. Frauen sind heute besser ausgebildet, sie sind  - oder wären - heute auch gesetzlich deutlich besser abgesichert, die Infrastrukturen haben sich - zumindest in den Städten - verbessert. Wie die Politologin Michelle Beyeler jedoch richtig bemerkt hat, ist gerade die Tatsache, dass vieles schon erreicht worden ist, so brandgefährlich, weil sie denjenigen als Ausrede dient, die keine weitere Veränderung mehr wünschen. Meistens sind es die gleichen, denen schon das Erreichte zu weit geht. Und weil zu den konservativen Kreisen auch noch ein Grossteil der Männer hinzukommt, dazu die Wirtschaft, wo nach wie vor ausschliesslich männliche Vorstellungen die Argumentation beherrschen, und die nicht an Strukturen interessiert ist, wie sie Frauen bräuchten.
Nur ein kleines Beispiel dazu: Vorgestern Abend hatte ich eine Lesung. Auf meine kurze Zusammenfassung des Inhalts meines Romans sagte einer der anwesenden Männer. "Ach so, ein Frauenbuch..." Tatsächlich sind die Hauptprotagonistinnen im Buch Frauen. Es geht - unter anderem - um ihre für meine Generation exemplarischen Leben. Die Bemerkung des Mannes hatte diesen typisch abwertenden Tonfall: NUR ein Frauenbuch. Ich habe noch nie gehört, dass jemand gesagt hat es handle sich NUR um ein Männerbuch, wenn der oder die Hauptprotagonisten Männer waren.
Mit andern Worten, männlich ist relevant. In der konsequent weitergedachten Logik wäre weiblich also irrelevant.
Es macht mich wütend, dass diese Stereotypien nach wie vor tief verankert sind. Auch wenn das Gegenteil immer dann behauptet wird, wenn es um so genannt typisch weibliche Anliegen geht. Zum Beispiel, wenn es um Kinder geht. Frauen seien zur Kinderbetreuung besser geeignet. Das entspreche ihrer biologischen Disposition, heisst es. Aber die biologistische Theorie ist nicht nur eine Sackgasse, sie ist auch wissenschaftlich widerlegt. Und ausserdem: Männer kriegen auch Kinder! Sie tragen sie bloss nicht aus. Aber sie zeugen sie. Sie sind Väter. Und wenn sie die Gelegenheit dazu bekommen, können sie genau die gleiche Verbundenheit zum Säugling aufbauen wie eine Mutter.
Immer mehr Väter möchten das auch, aber ihre Bemühungen werden überall behindert. Von der Wirtschaft, von konservativen PolitikerInnen und - ganz besonders - durch religiös geprägte Bilder. Man sollte den starken Einfluss der Religion in dieser Frage nie ausser Acht lassen. Religion ist eine heilige Kuh. Stellt man sie in Frage, rührt man an einem Tabu. Aber es ist nicht zuletzt die Religion - welcher Couleur auch immer - welche die tief verankterten Bilder aus einer Gesellschaft zementiert, die es nicht mehr gibt.
Aber mal angenommen, ein junges Paar ist stark und selbstsicher genug, sich gegen diese gesellschaftlich und religiös verankerten Bilder zu stemmen und entschliesst sich, die Verantwortung für die Kinder zu teilen. Die Beiden werden es schwer haben. Denn neben den ökonomischen und/oder Karriere-Überlegungen, die häufig dagegen sprechen, dass beide zurückstecken, kommt hier eine weitere, in der männlich geprägten Wirtschaftswelt ebenso tief verankerten Stereotypie zum Tragen: Verantwortung sei nicht teilbar.
Kürzlich hat der Politologe Michael Hermann ein Loblied auf die Manager gesungen und sie für ihren 150prozentigen Einsatz bewundert, der ihnen den Schlaf raube. Meiner Ansicht nach müsste das nicht so sein.
1978 hat Esther Vilar ein kluges, heiss diskutiertes, aber letztlich in Bausch und Bogen als unrealistisch abgetanes Buch geschrieben über die Fünfstunden-Gesellschaft, in der ALLE, also alle Männer und alle Frauen je fünf Stunden berufstätig sind und sich in der Wirtschaft und zu Hause die Verantwortung teilen. Eine Utopie, wie sie ihre Theorie selber genannt hat. Für die Feministinnen war Vilar damals ein rotes Tuch, weil sie mit den Frauen gnadenlos ins Gericht ging und ihnen - oft zu Unrecht - die Hauptverantwortung für die gesellschaftlichen Verhältnisse zuschob. Vilars Bücher waren sehr polemisch. Bissig. Und jede Polemik enthält Schlagworte, die in ihrer Vereinfachung nicht stimmen. Aber im Grunde genommen wollte Vilar vor allem aufrütteln. Ihre Utopie einer Fünfstundengesellschaft mag idealistisch und naiv sein, aber sie wäre ein Ansatz, wie man die teilbare Verantwortung diskutieren könnte.
Heute ist die Wirtschaft gnadenlos. Das heisst, viele Männer hätten nicht nur Grund, sondern auch das Bedürfnis die Gesellschaft zu ändern. Männer, die die Verantwortung zu Hause und am Arbeitsplatz teilen möchten. Aber man lässt sie nicht. Weil Männer mit Teilzeitpensen nach wie vor benachteiligt sind und Teilzeitarbeit für die Karriereplanung ein Nachteil bedeutet.
So bleibt Vieles wie es ist, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. So bleibt auch der Grundsatz, Verantwortung sei nicht teilbar, eine Maxime, ohne dass sie ernsthaft hinterfragt würde. Weil sie vor allem dazu dient, Macht zu erhalten. Aber das ist ein anderes Thema. Das zwar ganz direkt mit dem Frauenthema zu tun hat, aber ein so grosses und umfassendes ist, dass ich es nur erwähnen kann, damit dieser Aspekt nicht vergessen geht.
Zurück zum "Club". Tatsächlich sind es hauptsächlich ökonomische Überlegungen, die dazu führen, dass meistens die Frau "zurücksteckt". Kommt hinzu, was Beyeler gestern gesagt hat: Es wird eben nicht von den Männern, resp. nicht - auch - von den Männern, sondern - nur - von den Frauen erwartet, dass sie sich zurücknehmen.
So lange die Ungleichheit bei den Löhnen nicht getilgt, so lange die nötigen Infrastrukturen nicht  genügend vorhanden sind, so lange vor allem die Männer ihre Karriere planen und so lange Mütter in der Wirtschaft nicht willkommen sind, so lange sind wir nicht am Ziel. Das Ziel wäre eine Gesellschaft, in der Frauen und Männer gleichwertig sind. In der es um Elternanliegen und nicht um Frauenanliegen geht, wenn ein Paar Kinder bekommt. Eine Gesellschaft, in der das Wohl der Kinder nicht davon abhängt, ob eine Frau zu Hause bleibt oder nicht, sondern davon, welche Bildungschancen eine Gesellschaft ihren Kindern und welche Chancen sie später ihren Erwachsenen bietet…
Es bleibt noch unendlich viel zu tun. Und wenn die Männer sich jetzt verunsichert fühlen, so bleibt auch für sie viel zu tun. Nicht im Sinne einer Rückeroberung, sondern im Sinne einer Weiterentwicklung zu einer Gesellschaft der geteilten Verantwortung, in der auch die Solidarität wieder Platz hat. Das wäre für mich die höchste Form der Demokratie…
Und weil das so ist, weil noch so viel zu tun ist, macht es mich auch wütend, wenn die Frauen ihre ureigensten Anliegen nicht sehen oder wenn sie nachgeben - des Friedens, der Liebe, der Familie oder worum auch immer. Denn wenn die Frauen nicht dran bleiben, besetzen sehr schnell die Männer wieder die Felder, die sie unfreiwillig abgegeben haben. Deshalb machen mich auch Frauen wütend, die über über feministische Anliegen auf eine unbedarfte Art polemisieren. Dazu mein Post zu einem Artikel von Brigit Schmid in einem TA-Magazin vom letzten Jahr: http://ladyc-unterwegs.blogspot.ch/2012/12/schluss-mit-dem-gequengel.html