Freitag, 4. Dezember 2009

Niemand will sparen, weil alle profitieren

Von meiner Krankenkasse habe ich die Abrechnung erhalten über einen Betrag, den das Universitätsspital Zürich irrtümlich zu meinen Lasten in Rechnung gestellt hatte. Es geht um eine freiwillige Nachuntersuchung im Juli, zu der mein Arzt mich - und weitere seiner Patientinnen - aufgeboten hatte. Er operiert mit einem neuen angiologischen Verfahren und braucht die Daten für eine Studie über dieses Verfahren; für die Studie arbeitet er mit einer Kollegin im Unispital zusammen. Das heisst, der Betrag müsste vom Unispital über den wissenschaftlichen Fonds abgerechnet werden.
Schon im Juli, als ich - freundlicherweise - zur Untersuchung erschienen war, hatte ich den Eindruck, dass im Unispital die linke Hand nicht weiss, was die rechte macht. Niemand war informiert; den Ultraschall hat schliesslich die diensthabende Ärztin vorgenommen - ziemlich genervt und nur, weil ich das schriftliche Aufgebot in den Händen hielt. Ganz offensichtlich hätte sie mich am liebsten dorthin gewünscht, wo der Pfeffer wächst.
Kurz nach der Untersuchung erhielt ich die Kopie der Rechnung und rief sofort an; die Person am Telefon bestätigte mir, dass es sich tatsächlich um ein Versehen handle und die Rechnung an meine KK storniert würde. Auf meine Frage, ob für mich die Sache damit erledigt sei, reagierte sie pickiert. Der Tonfall in ihrer Stimme sagte mir, dass nichts passieren würde.
Mein Bauch hatte Recht.
Wer schon mal zu einer ambulanten Untersuchung im Unispital aufgeboten wurde, kennt das kafkaeske Gefühl, das einem in diesem bürokratische Moloch beschleicht. Die Vermutung, dass im Gesundheitswesen die eine Hand nicht weiss, was die andere macht, oder besser, eine Hand die andere wäscht, habe ich schon lange. Das System ist mittlerweile so kompliziert, dass es genügend Schlupflöcher bietet für Profiteure auf der einen und für Inkompetenz und Gleichgültigkeit auf der andern Seite.
Alle wissen es: Unser Gesundheitswesen ist zu teuer. Auch die PolitikerInnen schwatzen andauernd davon, dass wir zuviel bezahlen würden. Ernsthaft dagegen tun sie allerdings nichts. Denn kaum jemand von ihnen blickt in dem System durch, das sich - wie das Finanzsystem - selber schützt. Genauso wenig, wie sie dem Druck der starken Lobby gewachsen sind, die sich in diesem Fall je nach Thema zusammensetzt aus Pharmaindustrie, Ärzten, und wer immer sonst noch ein Interesse hat, das eigene System möglichst intransparent zu halten.
Ich habe vor langer Zeit mal im Unispital gearbeitet: Damals hatte man gerade neue Titel für die Ärzte geschaffen, zum Assistenten gab es nun auch noch den Oberassistenten, zum Oberarzt den Leitenden Arzt usw. Und jeder, der seine Karriere am Unispital so ein bisschen verlängern konnte, musste dies natürlich mit wissenschaftlichen Publikationen rechtfertigen. Also wurden Studien angenordnet, die mehr der Karriere als der Sache dienten, die aber selbstverständlich alle Geld kosteten. Und selbstverständlich brauchten die Oberassistenten auch noch Sekretärinnen, die Leitenden Ärzte ein eigenes Team mit eigenen Labors mit den teuersten Geräten und, und, und...
Ich fürchte, das ist heute nicht besser.
PS: Das Verfahren, worum es in der Studie geht, kostet rund ein Drittel der konservativen Methode. Bisher sind keine Nebenwirkungen bekannt, ganz im Gegensatz zur herkömmlichen Methode. Die Krankenkassen sind jedoch nicht bereit, die Kosten für das neue Verfahren zu übernehmen, weshalb die meisten Patientinnen sich für die konservative Methode entscheiden. Mit dem Resultat, dass die KK statt Kosten zu sparen dreimal so viel für die teurere Methode bezahlen.
Damit man mich nicht falsch versteht: Ich finde es richtig, dass meine KK mein Krafttraining nicht bezahlt, obwohl es ärztlich empfohlen ist, falls ich keinen weiteren Bandscheibenvorfall will. Wer sich die Prävention - zum Beispiel das Fitnesscenter - von der KK bezahlen lässt, trägt ebenfalls zur Verteuerung bei. Und dass die meisten Menschen viel zu oft zum Arzt rennen und ihrerseits das Gesundheitswesen verteuern, ist mir auch klar.
Es könnte also auf allen Ebenen eine Menge eingespart werden. Nur: Wer ist daran interessiert???

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