Donnerstag, 10. Dezember 2009

Engagement für einen Komponisten

Die Internationalen Musikfesttage Bohuslav Martinů locken seit 14 Jahren jeden Herbst ein stetig wachsendes musikinteressiertes Publikum nach Basel. Ich bin mit dem Festival verbunden und habe einen Auftrags-Artikel darüber geschrieben, den ich hier ebenfalls "veröffentliche", weil es mir ein Anliegen ist, dieses Kleinod unter den Musikfestivals bei möglichst vielen Liebhabern klassischer Musik bekannt und beliebt zu machen. Wer neugierig geworden ist, kann Martinůs Musik kennenlernen mit der neuen CD, die zum diesjährigen Anlass erschienen ist. Darauf ist Robert Kolinsky, Initiant und Leiter der IMBM, als Pianist zu hören: Unter der Leitung von Vladimir Ashkenazy spielt er unter anderem zwei Klavierkonzerte. Das eine der beiden, das Klavierkonzert Nr. 4 mit dem Titel "Incantation" wird von einigen Kritikern als das eindrücklichste des 20. Jahrhunderts bezeichnet. (Mehr dazu unter http://www.kolinsky.ch/news_de.html)
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Resultat eines hartnäckigen und unermüdlichen Engagements
Martinů auf dem Platz, der ihm zusteht
Die internationalen Musikfesttage B. Martinů standen dieses Jahr ganz im Zeichen des 50. Todesjahres des Komponisten und warteten mit mehreren musikalischen Höhepunkten auf.
Ein kurzer Festakt vor dem Eröffnungskonzert bildete den Auftakt, der als Hommage an Bohuslav Martinů inszeniert worden war. Den musikalischen Rahmen boten der Kinderchor SurseeCantorei mit Liedern von Martinů; der Essayist Iso Camartin moderierte mit bewegenden Worten und der tschechisch-österreichische Schriftsteller Pavel Kohout schloss den Bogen zwischen der Schweiz und Tschechien mit seiner launig erzählten, aber makabren und mit politischen Scharmützeln begleiteten Geschichte von der Überführung des Leichnams Martinůs von Frenkendorf in seine ostböhmische Heimatstadt Polička.
Festen Platz erkämpft
Anlass für den Festakt im Stadtcasino Basel bildete neben der Eröffnung der diesjährigen Festtage die Enthüllung einer Heliogravur, welche die Basler Künstlerin Hildegard Spielhofer im Auftrag der Schweizerischen Martinů Gesellschaft entworfen hatte. Die Heliogravur hängt nun im Foyer des Stadtcasinos Basel neben der Gedenktafel für Bèla Bartók und erinnert an die letzten Jahre Martinůs, die er auf Vermittlung seines Freundes Paul Sacher im kleinen Ort Frenkendorf bei Liestal verbracht hatte, und wo er am 28. August 1959 verstarb. Martinů ist damit Teil des Basler Kulturschaffens geworden, das durch ihn damals wie heute seine internationale Ausstrahlung ausweiten kann. Die Bedeutung dieser Tatsache strich denn auch der Regierungspräsident des Kantons Basel-Stadt, Guy Morin, in seiner Laudatio hervor.
Die starke mediale Resonanz und die Anwesenheit zahlreicher Prominenz aus dem In- und Ausland am Festakt bedeuteten für den Initianten und künstlerischen Leiter des Festivals, den Pianisten Robert Kolinsky, eine besondere Genugtuung. Seit ihrer Gründung vor 14 Jahren mussten sich die Musikfesttage ihren festen Platz im Kulturleben Basels immer wieder neu erkämpfen, auch nachdem sie sich ihren hervorragenden Ruf in der internationalen Musikszene längst erworben hatten. Während die Aufführungen in den Medien jeweils beste Kritik erhielten und die Besucher von weither anreisten, blieb das Festival in der tonangebenden Basler Gesellschaft lange Zeit nur einem kleinen Kreis von Musikliebhabern bekannt.
In Musikerkreisen geschätzt
Wie hoch die Bedeutung des Festivals gerade auch in Musikerkreisen eingeschätzt wird, zeigt sich unter anderem an den zahlreichen international bekannten Interpreten, die sich jedes Jahr nach Basel engagieren lassen. Ihr Interesse für den vielseitigen Komponisten nimmt stetig zu. Martinů ist kein Geheimtipp mehr; er gehört heute nach und nach zum Standardrepertoire vieler Orchester und Solointerpreten.
So nimmt beispielsweise das Academy of St. Martin in the Fields Chamber Ensemble Martinů schon seit längerem regelmässig in sein Programm auf, während der Geiger Frank Peter Zimmermann zum ersten Mal ein Violinkonzert von Martinů interpretierte, nachdem er durch Kolinsky darauf aufmerksam gemacht worden war. Er ist davon so begeistert, dass er sich weiter mit Martinů beschäftigen will, wie er kürzlich in einem Interview mit der Zeitschrift "Musik und Theater" sagte.
Frank Peter Zimmermann und das englische Kammermusik-Ensemble waren zweifellos die Stargäste am diesjährigen Festival. Neben ihnen glänzten aber wiederum eine ganze Reihe international renommierter Namen: So beeindruckte am Eröffnungskonzert das Stuttgarter Radio-Sinfonieorchester unter dem Dirigenten Neeme Järvi das Publikum, während der tschechische Bassist Miroslav Vitous am Schlusskonzert mit seinen Interpretationen daran erinnerte, wie hoch Martinůs Affinität zum Jazz war.
"Unbedingte Präsenz der Musik"
Mit einer einfühlsamen und enorm spannenden Interpretation des 2. Violinkonzerts vermittelte Frank Peter Zimmermann den rund 1300 Konzertbesuchern im grossen Musiksaal des Stadtcasinos Basel einen berührenden Einblick in den musikalischen Reichtum Martinůs. Aus den Gesprächen nach dem Konzert hörte man bei manchen die Verwunderung heraus, wie es kommen konnte, dass ihnen diese grossartige Musik bisher entgangen war.
Der Grund für die grosse Akzeptanz von Martinůs Musik erklärte Giselher Schubert, Leiter des Hindemith Institutes in Frankfurt, in seiner Einleitung zum kammermusikalischen Abend: Die Musik besteche durch ihre "unbedingte Präsenz", sie überzeuge auf Anhieb, ohne dass wir erfahren müssten, wie sie im Detail gearbeitet sei. Die Werke hätten im Repertoire der Musiker überlebt, weil sie zu gebrauchen seien und sich in ihrer klanglichen Präsenz stets aufs Neue bewährten. Es sei deshalb wohl verdient und historisch gerecht, dass sie in Basel in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gestellt würden.
Europäische Uraufführung
Martinůs Freund und Förderer, der Schweizer Dirigent Paul Sacher sagte einmal über ihn: "Ich habe in meinem ganzen Leben keinen einfacheren, aufrichtigeren und ergreifenderen Menschen gekannt." Diese Aufrichtigkeit war es wohl auch, die Martinů niemals überheblich werden liess und ihm erlaubte, vorurteilslos offen zu bleiben gegenüber den verschiedenen Musikrichtungen seiner Zeit. So ist ein Einblick in Martinůs Musik erst komplett, wenn er alle Facetten dieses vielfältigen Werks aufzeigt, das von einfachen Volks- und Kinderliedern über eine von Unterhaltungsmusik und Jazz inspirierte Filmmusik bis zu grossen sinfonischen Kompositionen und schliesslich zur verdichteten Kammermusik reicht.
Die IMBM haben es sich zur Aufgabe gemacht, auch die weniger bekannten Werke Martinůs in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stellen. Diesmal war es die damals populäre, aber später in Vergessenheit geratene Fernsehoper "Die Heirat" nach der gleichnamigen Komödie Gogols, die Martinů für die NBC geschrieben hat. Von der Filmrolle hiess es lange Zeit, sie sei verschollen, doch Kolinsky liess nicht locker, bis sie schliesslich in der Library of Congress in Washington aufgefunden wurde. Dass sie den IMBM für die europäische Uraufführung zur Verfügung gtestellt wurde, zeugt vom Ruf und vom Vertrauen, das die Veranstalter international geniessen.
In 40 Länder ausgestrahlt
Im Programm der IMBM spiegelt sich der Wille, den ganzen Reichtum eines Werks am Grenzweg zur Moderne aufzuzeigen, das trotz oder gerade wegen seiner zahlreichen stilistischen Variationen zu einer eigenen unverwechselbaren Sprache gefunden hat. Diesen Anspruch jedes Jahr zu erfüllen, ist das erklärte Ziel Robert Kolinskys. Der beinahe spektakuläre Erfolg beweist, dass er sein Ziel auch in diesem Jahr erreicht hat.
Schon seit Jahren sind Aufzeichnungen von Basler Martinů-Konzerten im Kulturprogramm des Schweizer Radiosenders DRS2 fest eingeplant. Diesmal schlossen sich zwei Fernsehsender an, unter ihnen der internationale Musiksender Mezzo, dessen Programm in 40 Länder ausgestrahlt wird. Kolinskys Wunsch war und ist es stets gewesen, das umfangreiche und vielschichtige Werk Martinůs einem grösseren Publikum bekannt zu machen und ihm die Anerkennung zu verschaffen, die ihm gebührt. So ist die Beachtung, die Martinůs Musik heute in Basel und europaweit erreicht hat, nicht zuletzt auch das Verdienst seines unermüdlichen Schaffens und das seines Teams, das ihn dabei mit grossem Engagement unterstützt.
Weitere Informationen unter www.martinu.ch

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