Donnerstag, 19. Dezember 2013

Alles wäre möglich, so man wollte…

Die Behauptung stammt nicht von mir. Gehört habe ich sie im Kino, in "Master of the Universe", einem Lehrstück über das Funktionieren der Finanzwelt. Der Film ist ein anderhalbstündiger Monolog eines Ex-Bankers, gesprochen in den gespenstisch leeer stehenden Räumen einer ehemaligen Bank, welche bis vor sechs Jahren in einem dieser protzigen Türme untergebracht war, die das Frankfurter Bankenzentrum bilden. Der Insider spricht über "das System", dessen Teil und Profiteur er war, und dessen Eigendynamik offenbar nicht zu durchbrechen ist. Wer nicht spurt, wird ausgespuckt. Der Banker erzählt bloss, das heisst, er sagt nur, wie es ist. Dies zwar schonungslos, aber ohne zu moralisieren. Umso eindrücklicher bleibt das Gesagte haften. Und umso erschütternder wirkt es. Zurzeit läuft der Film im Kino (in Zürich im Movie 1), aber er dürfte es nicht lange schaffen. Wer hört sich schon gern an, wie ohnmächtig wir sind angesichts eines Systems, das uns längst entglitten ist.

Der Banker sagt so manches, wozu man nur mit dem Kopf nicken kann. Zum Beispiel, dass man das System ändern könnte, wenn man nur wollte. Aber niemand - der könnte - will. Auch wundert er sich unter anderem darüber, wie problemlos die Staaten mehrere Milliarden locker machen können, fast von einem Tag auf den andern, wenn es darum geht, Banken zu retten, während jahrelang um (im Vergleich dazu) "läppische" 100 Millionen für die Kultur gestritten wird. Anstelle des Begriffs "Kultur" könnte man hier auch "Soziales" setzen.

Das Beispiel ist symptomatisch für unsere Zeit. Wir degenerieren  langsam zum Homo oeconomicus, der nur noch in Zahlen denkt (denken kann), resp. nur noch den (persönlichen) Gewinn anstrebt. Wobei der Gewinn an sich selbstverständlich nichts Unmoralisches ist, genauso wenig wie der wirtschaftliche Erfolg, der allen zugute kommt. Mit Betonung auf den Nachsatz. Aber seit die Finanzwirtschaft sozusagen das Primat von der Politik übernommen hat (Goldman Sachs lässt grüssen), haben sich die Verhältnisse praktisch umgedreht. Es geht nicht mehr um das Wohl einer Gesellschaft, sondern nur noch um das Wohl derjenigen, die skrupellos genug sind, auf Kosten der Gemeinschaft zu profitieren.

Heute lese ich im TA über ein Buch, das Hans Widmer, der ehemalige Oerlikon-Bührle-Sanierer über eine menschengerechte Gesellschaft geschrieben hat. Unter dem Titel "Modell des konsequenten Humanismus", entwickelt er offenbar eine Theorie für eine humane Gesellschaft, wofür er neben Philosophie und Religion auch die Kultur, die Gentechnik und vor allem die Physik als Grundlage nimmt (2013, Rüffer und Rub).  Im Interview im TA sagt er u.a., es brauche Verwaltungsräte, die sich selber konstituieren, keinerlei Gewinnbeteiligung haben, sondern als unabhängige Instanz von senkrechten Männern und Frauen (gibt es das noch??) die Aufsicht über das Treiben des Managements ausüben. Klingt logisch. Ich zweifle nicht an der Machbarkeit. Aber am Willen zur Umsetzung.

Während der Trauerfeierlichkeiten zum Tod von Mandela überschlugen sich die Redner wieder mal mit Ehrbezeugungen für einen Mann, der nicht nur mit Intelligenz, Durchhaltewillen und Pragmatismus, sondern vor allem auch mit viel Herz, Empathie und Versöhnungswillen sein Volk aus der Versklavung befreit hat. Würden sich die Verantwortlichen dieser Welt diese charismatische Persönlichkeit tatsächlich zm Vorbild nehmen, dann könnte so mancher Schritt getan werden, der heute noch unmöglich scheint. Und man könnte – müsste – so manches Ruder herumreissen, bevor es zu spät ist. Aber eben: Bescheidenheit ist eine Zier, gut leben tut sich's ohne ihr.
Eigentlich wollte ich nur über den Film berichten. Nun ist es wieder mal mit mir durchgegangen. Wenn ich wenigstens etwas Positives zu schreiben gehabt hätte. Schliesslich ist Weihnachtzeit, da fühlt man sich ja schon fast verpflichtet, nett zu sein und ein bisschen rosafarbene Hoffnung zu verbreiten (wobei Bischof Huonder die Farbe Rosa vermutlich als Genderismus ins ewige Fegefeuer verdammen würde. Er bevorzugt karminrote Schleppen…). Da fällt mir ein: Ein kleiner, wenn auch nicht rosafarbener, so doch schwarz-roter Hoffnungsschimmer kommt aus Deutschland, wo sich CDU und SP zwar nicht gerade überschwänglich, so doch pragmatisch gesittet - und dies ganz ohne Kavallerie - mit der Angela ins gemeinsame Bett gelegt haben. Also, wenn der Pragmatismus die Ideologie besiegt, besteht tatsächlich Anlass zur Hoffnung, und die Welt ist noch nicht ganz verloren. Halleluja!


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